Fallbeispiel Schule , , Wie gehen Lehrkräfte am besten mit islamistischen Äußerungen um? Wie viel Hilfe können sie anbieten, ohne in disziplinarrechtliche Schwierigkeiten zu geraten?

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Junge Menschen sind besonders gefährdet, sich zu radikalisieren. Sie suchen häufig nach Orientierung und Zugehörigkeit. Islamistische Gruppierungen wie zum Beispiel Salafisten werben Jugendliche gezielt an, bieten ihnen strikte Wertesysteme und eine eingeschworene Gemeinschaft. Wenn sich ein Schüler oder eine Schülerin plötzlich radikal verändert, fällt das oft in der Klasse auf. Wie geht man als Lehrerin oder Lehrer damit um? Lehrkräfte können sich dazu von der Beratungsstelle Radikalisierung beraten lassen. Lukas‘* Lehrer nutzte dieses Angebot.

Lukas provoziert mit Hassbotschaften

Lukas fiel seinem Lehrer schon in der ersten Unterrichtsstunde auf. Der Junge saß ganz hinten im Klassenzimmer alleine an einem Tisch. Ein Außenseiter, dachte der Lehrer, einer, neben dem keiner sitzen will. Oder einer, der viel stört. Während sich der Lehrer vorstellte, kritzelte Lukas demonstrativ gelangweilt in seinem Heft herum. Erst als ein paar Wochen später der Syrien-Konflikt auf dem Lehrplan stand, schien Lukas plötzlich interessiert. Was dann folgte, war nervenaufreibend: Lukas unterbrach ständig seine Mitschüler und Mitschülerinnen, um seine Meinung kundzutun. In Syrien würden Muslime endlich ihrer Glaubenspflicht folgen und ihre unterdrückten Glaubensbrüder im Jihad unterstützen , sagte er immer wieder. Die Krieger des Islamischen Staates hätten gut daran getan, Kuffar, also Ungläubige, zu töten im Dar ul-Kufr. Sein Lehrer versuchte seine Aussagen zu hinterfragen, was den Jungen aber nur noch wütender machte.

Aggressiver Teenager oder Extremist?

Solche Szenen wiederholten sich. Lukas fiel immer wieder mit provokativen, hasserfüllten Äußerungen im Unterricht auf. Sein Lehrer machte sich Sorgen. Provokationen hatte er schon oft erlebt, das war für Jugendliche normal, aber die Aggressivität und der Wahrheitsanspruch waren extrem. Wie konnte er damit umgehen? Sollte er seine Vorgesetzten einbinden? Wäre es gut, den Schüler einfach zu fragen, ob er Freunde hatte, die den Islam radikal auslegten oder vielleicht sogar zu den Salafisten gehörte? Inwieweit durfte er dem Jungen Hilfe anbieten, ohne dass ihm disziplinarrechtliche Schwierigkeiten drohten? Lukas‘ Lehrer haderte mit sich. Er kannte den Jungen kaum, der erste Elternabend stand noch aus. Nach langem Nachdenken entschloss er sich, Lukas erst einmal weiter zu beobachten.

Lukas droht seinem Mitschüler

Wenig später stand ein Junge aus Lukas‘ Klasse vor dem Lehrerzimmer. Sein Lehrer sah sofort, dass der Junge wütend war. Lukas hatte ihn mal wieder mit seinen religiösen Ansichten genervt. Er habe ihn besonders auf dem Kieker, weil er ja auch Muslim sei, sagte der Schüler. Die Diskussion war immer hitziger geworden. Irgendwann hatte Lukas angefangen, ihn zu beschimpfen und ihm zu drohen.

Beratung zu Radikalisierung für Lehrkräfte

Lukas‘ Lehrer zog sich in der Pause kurzentschlossen in ein leeres Klassenzimmer zurück und rief die Beratungsstelle Radikalisierung an. Er war am Tag zuvor beim Recherchieren im Netz auf das Angebot gestoßen und hatte sich vorgenommen, sich dort Unterstützung zur Beantwortung seiner Fragen zu holen. Viel Zeit hatte er nicht und auch über Lukas konnte er nur wenig sagen. Aber das, was er bisher erlebt hatte, konnte laut der Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung tatsächlich bedeuten, dass sich Lukas radikalisierte. Sie empfahl ihm, mit einem Beratenden vor Ort die nächsten Schritte zu besprechen. Er könne sich die Adresse auf der Website heraussuchen oder seine Kontaktdaten hinterlassen, dann würde die Beratungsstelle Radikalisierung den Kontakt herstellen.

Inzwischen arbeitet die Schule gemeinsam mit der Beratungsstelle vor Ort und Lukas‘ Eltern daran, den Jungen aus seinen islamistischen Kreisen herauszuholen. Der Schüler hatte sich tatsächlich einer extremistischen Gruppe im Internet angeschlossen. Dem Lehrer fällt es nun durch die Beratung leichter, auf Lukas einzugehen und ihn in den Schulalltag einzubinden.

*Der Fall Lukas ist fiktiv. Wir behandeln alle Informationen unserer Anruferinnen und Anrufer streng vertraulich, deshalb wird hier kein reales Beispiel beschrieben.